Beiträge zur Pflegeversicherung ab 01.07.2023 in SAP HCM – Teil 1
— UPDATE am 21.07.2023 —
Zum 01.07.2023 sollen sowohl der Beitrag zur gesetzlichen Pflegeversicherung als auch Beitragszuschlag für Kinderlose angepasst werden. Dies zieht natürlich Anpassungen an der Beitragsberechnung in der SAP HCM Payroll nach sich.
Motivation
Um zu ermöglichen, dass die Pflegeversicherung auch weiterhin ihren Aufgaben nachkommen kann,
- Pflegebedürftige und Pflegepersonen, insbesondere pflegende Angehörige, wirksam zu unterstützen,
- angemessen entlohnte Pflegekräfte in erforderlicher Anzahl mit erforderlicher Qualifikation zu gewinnen und zu halten, um Pflegebedürftige gut pflegen und betreuen zu können sowie
- Pflegebedürftige vor finanzieller Überforderung zu schützen,
hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 24.02.2023 einen Referententwurf für ein Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG) auf den Weg gebracht. Am 05.04.2023 folge der Regierungsentwurf, welcher sich auch in Payroll-relevanten Aspekten vom Referentenentwurf unterscheidet.
Das Gesetz zielt natürlich auf die Verbesserung von insbesondere der ökonomischen Rahmenbedingungen und der finanziellen Lage der Pflegeversicherung. Denn aufgrund von
- demographischer Entwicklung,
- höheren Ausgaben für die zeitlich gestaffelte Eigenanteilsreduzierung in der vollstationären Pflege und
- insbesondere hohen Kosten für die Erstattung von pandemiebedingten Mehraufwendungen und Mindereinnahmen der Pflegeeinrichtungen sowie der Kosten für PoC-Antigen-Testungen in der Langzeitpflege
seien Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmensituation der sozialen Pflegeversicherung unumgänglich.
Zudem ist der Gesetzgeber gehalten, die Betragsregelung der sozialen Pflegeversicherung insofern anzupassen, als dass die Anzahl der Kinder verfassungskonform Berücksichtigung findet. Dies geht zurück auf den Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 07.04.2022, wonach im aktuellen System der Pflegeversicherung Eltern mit mehr Kindern gegenüber denen mit weniger Kindern insofern benachteiligt werden, als der mit steigender Kinderzahl anwachsende Erziehungsmehraufwand im Beitragsrecht keine Berücksichtigung findet. Eine gleiche Beitragsbelastung der Eltern unabhängig von der Zahl ihrer Kinder sei verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wurde daher verpflichtet, bis spätestens zum 31.07.2023 eine Neuregelung zu treffen.
Geplante Änderungen
Erhöhung des allgemeinen Beitrags zur Pflegeversicherung
Zur Stabilisierung der Pflegeversicherung will das BMG den Beitragssatz der Pflegeversicherung zum 01.07.2023 um 0,35 Prozentpunkte erhöhen, was jährlichen Mehreinnahmen von 6,6 Milliarden Euro entsprechen soll.
Entwicklung des allgemeinen Beitragssatzes (ab 01.01.2017) und geplante Änderung können in der folgenden Tabelle nachvollzogen werden:
Ab datum | allgemeiner beitragssatz pflegeversicherung (in prozent) | entwicklung (in prozent) |
---|---|---|
01.01.2017 | 2,55 | + 0,20 |
01.01.2019 | 3,05 | + 0,50 |
01.07.2023 | 3,40 | + 0,35 |
Neugestaltung des Beitragszuschlags für Kinderlose
In Folge von Stabilisierung der Pflegeversicherung und vom Bundesverfassungsgericht geforderter Neuregelung soll auch der Beitragszuschlag für Kinderlose zum 01.07.2023 von bisher 0,35 auf 0,6 Prozent angehoben werden.
Die Bezeichnung „für Kinderlose“ war gemäß Referentenentwurf ab dem 01.07.2023 nicht mehr passend, da die geforderte Berücksichtigung der Kinder u.a. so umgesetzt wurde, dass erst bei zwei oder mehr Kindern eine Reduzierung des Beitragszuschlages erfolgt: ab dem zweiten Kind sollte der Zuschlag um je 0,15 Prozenz reduziert werden, so dass er ab fünf Kindern komplett entfallen wäre.
Beitragszuschlag und Beitragsabschlag
Gemäß Regierungsentwurf hingegen muss man nun nicht nur mehr von einem Beitragszuschlag für Kinderlose sprechen, sondern zusätzlich von einem Beitragsabschlag für – man könnte sagen – „Kinderreiche“. Denn der Entwurf sieht für Kinderlose weiterhin den Beitragszuschlag von 0,6 Prozent vor, für Eltern mit zwei bis fünf (oder mehr) Kindern hingegen jedoch einen Abschlag von 0,25 Prozent je Kind bis maximal 1 Prozent auf ihren Arbeitnehmer-Beitrag. Bei diesem Abschlag finden wiederum diejenigen Kinder keine Berücksichtigung, die das 25. Lebensjahr vollendet haben. Die Abschlag je Kind wird bis zum Ablauf des Monats gewährt, in dem das jeweilige Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat.
Die geplante Neuregelung gemäß Regierungsentwurf ist zur Nachvollziehbarkeit in der folgenden Tabelle nochmals übersichtlich dargestellt. Die Tabelle zeigt die Beitragsaufteilung für alle Bundesländer mit Ausnahme von Sachsen:
ANzahl kinder | halber bzw. ag-beitrag (in prozent) | AN-beitragszuschlag bzw. -abschlag zur PV (in PROZENT) | AN-beitrag (in prozent) | gesamt- beitrag zur PV (IN PROZENT) |
---|---|---|---|---|
keine | 1,70 | + 0,60 | 2,30 | 4,00 |
1 | 1,70 | 1,70 | 3,40 | |
2 | 1,70 | – 0,25 | 1,45 | 3,15 |
3 | 1,70 | – 0,50 | 1,20 | 2,90 |
4 | 1,70 | – 0,75 | 0,95 | 2,65 |
5 oder mehr | 1,70 | – 1,00 | 0,70 | 2,40 |
Für Betriebsstätten in Sachsen gilt ja (weiterhin unverändert) eine Besonderheit in der Beitragsaufteilung der Pflegeversicherung. Da der Buß- und Bettag in Sachsen – im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern – zur Finanzierung der 1995 neu eingeführten Pflegeversicherung nicht abgeschafft wurde, tragen Arbeitnehmer eine entsprechende Mehrbelastung. Um den weiterhin arbeitsfreien Tag zu finanzieren, zahlen sie bei gleichbleibendem Gesamtbeitrag zur Pflegeversicherung einen um 0,5 Prozent höheren Arbeitnehmer-Beitrag.
Bezogen auf Betriebsstätten in Sachsen bedeutet das für die obige Tabelle, dass der AG-Beitrag um jeweils 0,5 Prozent zu vermindern, der AN-Beitrag hingegen um 0,5 Prozent zu erhöhen ist.
Nachweis über Elterneigenschaft und Angaben der Kinder
Angaben aus dem Gesetzesentwurf vom 05.04.2023
Die Elterneigenschaft sowie die Angaben zu den Kindern sind gegenüber der beitragsabführenden Stelle (bzw. von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse) „in geeigneter Form“ nachzuweisen, sofern diesen die Angaben nicht bereits aus anderen Gründen bekannt sind. Um eine einheitliche Rechtsanwendung sicherzustellen und ein möglichst effizientes, schnelles und digitales Verwaltungshandeln zu gewährleisten, soll das BMG gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Inneren und für Heimat (BMI) sowie dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bis spätestens zum 01.07.2023 ein Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der Kinder entwickeln. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen soll Empfehlungen darüber geben, welche Nachweise geeignet sind.
Die Vorlagefristen für vor / ab dem 01.07.2023 geborene Kinder wurden wie folgt definiert:
- Nachweise für vor dem 01.07.2023 geborene Kinder, die bis zum 31.12.2023 erbracht werden, wirken rückwirkend vom 01.07.2023 an.
- Für ab dem 01.07.2023 geborene Kinder gilt: erfolgt die Vorlage des Nachweises innerhalb von drei Monaten nach der Geburt des Kindes, gilt der Nachweis mit Beginn des Monats der Geburt als erbracht. Andernfalls wirkt der Nachweis ab Beginn des Monats, der auf den Monat folgt, in welchem der Nachweis erbracht wird.
Geänderte Angaben / Fristen aus den F&A des BMG vom 26.05.2023
Mit der Verabschiedung im Bundestag am 26.05.2023 wurden auf der Fragen-und-Antworten-Seite des BMG zum PUEG im Abschnitt „Beiträge“ abweichende Angaben gemacht.
So soll das digitale Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder nun bis zum dass bis zum 31.03.2025 entwickelt werden.
Somit ergibt sich ein Übergangszeitraum für den Nachweis vom 01.07.2023 bis 30.06.2025, in welchem ein „vereinfachtes Nachweisverfahren“ vorgesehen ist:
„In diesem [Übergangs-] Zeitraum ist es ausreichend, wenn Mitglieder ihre unter 25-jährigen Kinder der beitragsabführenden Stelle oder der Pflegekasse mitteilen, sofern sie von dieser dazu aufgefordert werden. Auf die Vorlage und Prüfung konkreter Nachweise kann in diesem Fall verzichtet werden. Spätestens nach dem Übergangszeitraum müssen die beitragsabführenden Stellen und die Pflegekassen die angegebenen Kinder überprüfen.
Was passiert, wenn die beitragsabführende Stelle […] die kinderbezogenen Abschläge nicht rechtzeitig ab dem 1. Juli 2023 berücksichtigen kann?
Fragen & Antworten des BMG zum PUEG; Abschnitt Beiträge
Wenn der beitragsabführenden Stelle […] die Berücksichtigung der Abschläge ab dem 1. Juli 2023 nicht möglich ist, weil sie beispielsweise auf die Einführung eines digitalen Verfahrens wartet, muss sie die Abschläge rückwirkend bis spätestens zum 30. Juni 2025 erstatten. Der Erstattungsbetrag ist zu verzinsen.“
Für Unternehmen erscheint es empfehlenswert, die Anzahl der Kinder zeitnah zum 01.07.2023 zu erheben und im Rahmen der Beitragsabschläge zur Anwendung zu bringen, um die nachträglich zu erstattenden Abschläge nicht verzinsen zu müssen, wie im letzten Satz der F&A angegeben. Die Angabe der Anzahl sollte dennoch möglichst korrekt erhoben und hinterlegt werden, da ansonsten bei falscher Berücksichtigung im Rahmen der Überprüfung mit dem digitalen Nachweisverfahren Korrekturen notwendig sind. Dies kann soweit gehen, dass bei Angabe zu vieler zu berücksichtigender Kinder bei ausgetretenen Mitarbeitern Forderungen durch zu wenig entrichtete Beiträge entstehen können.
Grundsätzliche Hinweise des GKV-Spitzenverbands vom 11.07.2023
Am 11.07.2023 hat der GKV-Spitzenverband in diesem Zusammenhang das Rundschreiben „Grundsätzliche Hinweise Differenzierung der Beitragssätze in der Pflegeversicherung nach Anzahl der Kinder und Empfehlungen zum Nachweis der Elterneigenschaft“ veröffentlicht.
Im Rundschreiben werden die Themen
- Beitragszuschlag für Kinderlose,
- Beitragsabschlag ab dem zweiten Kind,
- Elterneigenschaft sowie
- Nachweis der Elterneigenschaft und der Anzahl der Kinder
besprochen.
Abbildung im SAP HCM
Aktuelle Abbildung
Der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung wird im SAP HCM über die Abrechnungskonstante PVPRZ „PV-Prozentsatz“ (V_T511K) abgebildet. Im genannten View lässt sich die Entwicklung des Beitragssatzes gut nachvollziehen:
Die aktuelle Abbildung des Beitragszuschlags hatten wir bereits zur letzten Erhöhung zum 01.01.2022 in einem früheren Beitrag ausführlich beschrieben. Hier sei nur nochmals in Kürze erwähnt, dass die wesentlichen Faktoren die Abrechnungskonstante PVPR2 und die SV-Sekundärattribute 31 und 32 des Infotypen 0013 „Sozialversicherung“ sind:
Zukünftige Abbildung
Für die zukünftige Abbildung hat SAP am 01.06.2023 den Info-Hinweis 3337857 „Informationen zum Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG)“ freigegeben.
Die zukünftige Abbildung wird bzgl. Beitrag und Beitragszuschlag wie erwartet an der aktuellen orientieren: für den allgemeinen Beitrag wird weiterhin die Abrechnungskonstante PVPRZ genutzt, zum 01.07.2023 wird sie abgegrenzt und mit dem dann geltenden Prozentwert versehen. Gleiches gilt für den Beitragszuschlag mit Konstante PVPR2.
Für den Beitragsabschlag wird es Erweiterungen insofern geben, dass zum einen die Höhe des Abschlags je Kind ab dem zweiten bis zum fünften oder mehr Kindern eingestellt werden kann, voraussichtlich als eigene Abrechnungskonstante.
Zudem wird es für Angabe der Anzahl der zu berücksichtigen Kinder mehrere Möglichkeiten geben:
- ein neues Feld zur direkten Erfassung der Anzahl der Kinder im Infotyp 0013 „Sozialversicherung“
- die Nutzung des Infotypen 0021 „Familie/Bezugsperson“ sowie
- ein BAdI, welches auch weitere Datenquellen berücksichtigen kann.
Der Infotyp 0021 „Familie/Bezugsperson“ bietet sich für die Erfassung an, da hier zum einen das Geburtsdatum des Kindes angegeben werden kann und zum anderen bereits ein ESS-Service existiert, über welchen die Arbeitnehmer Angaben zu ihren Kindern selbst übermitteln können. Eine sinnvolle Erweiterung läge jedoch im Upload des Nachweises, um die Angabe der Kinder auch während des „Nachweis-Übergangszeitsraums“ für eine korrekte Erfassung abgleichen zu können.
Fest stand für uns bisher Folgendes (und dies gilt weiterhin): Da das Bundesverwaltungsgericht eine Berücksichtigung der Anzahl der Kinder beim PV-Beitragszuschlag gefordert hat, wird es zukünftig in Personalfragebögen nicht mehr ausreichen, lediglich zu fragen, ob Beschäftigte Kinder haben. Vielmehr sollten auch Anzahl und Geburtsdaten der Kinder erfragt und ein Hinweis zur Nachweispflicht gegeben werden, um den PV-Beitragszuschuss korrekt abrechnen zu können. Für die Neuregelung ab dem 01.07.2023 sollten auch jetzt schon die relevanten Infos und Nachweise eingeholt werden, auch wenn es gemäß F&A des BMG den Übergangszeitraum gibt.
Zum Teil 2 des Artikel gelangen Sie hier.
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