GKV-Schreiben zur JAE-Grenze: Auswirkungen auf SAP HCM – Teil 1
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In der Vergangenheit gab es diverse Auslegungen zur Anwendung der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze) durch die gesetzlichen Krankenkassen. Als Reaktion darauf veröffentlichte der GKV-Spitzenverband ein entsprechendes Empfehlungsschreiben. In dieser zweiteiligen Blog-Reihe sollen daher die Auswirkungen auf die fachliche Prüfung (Teil 1) und auf SAP HCM (Teil 2) diskutiert werden.
Zwei wesentliche Klarstellungen im Empfehlungsschreiben
Veröffentlicht wurde das Empfehlungsschreiben des GKV-Spitzenverbandes bereits am 22. März 2017. Einen direkten Link erhalten Sie hier.
Im Wesentlichen wurden zwei Klarstellungen vorgenommen:
- Es gibt 2 Zeitpunkte für Neu-Berechnungen des voraussichtlichen Jahresarbeitsentgelts: zum einen bei einer Änderung der Bezüge, zum anderen zum Jahreswechsel (Dezember + Januar!)
- Variable Entgeltbestandteile sind nicht mehr zu berücksichtigen bzw. lediglich in Höhe eines garantierten Teils
In diesem ersten Teil der Blog-Reihe wollen wir daher zunächst diskutieren, welche Auswirkungen das Empfehlungsschreiben auf die Ermittlung von Über- und Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze fachlich hat. Im zweiten Teil werden dann die Auswirkungen auf die Unterstützungsmöglichkeiten der Prüfung im SAP HCM geprüft.
Allgemeines zur Jahresarbeitsentgeltgrenze
Die Jahresarbeitsentgeltgrenze erfüllt laut GKV-Spitzenverband zwei Funktionen:
- sie grenzt zum einen den Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (KV) ab, der für eine leistungsfähige Solidargemeinschaft notwendig ist.
- Zum anderen erlegt sie „Krankenversicherungsschutzbedürftigen“ eine Pflicht zur gesetzlichen KV auf.
Überschreitet das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt eines Arbeitnehmers die Jahresarbeitsentgeltgrenze, so tritt Versicherungsfreiheit ein. Die Versicherungsfreiheit endet entsprechend bei einer Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze.
Die allgemeine Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs. 6 SGB V) beläuft sich im Jahr 2018 auf 59.400€, die besondere JAE-G (§ 6 Abs. 7 SGB V) bei 53.100€.
Grundlage der Prüfung: das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt
Zum regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt gehören alle Einnahmen, die
- nach § 14 Abs. 1 SGB IV Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung darstellen und
- „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ mindestens einmal jährlich gezahlt werden.
Regelmäßig gewährte Sonderzuwendungen bzw. Einmalzahlungen sind demnach analog zu berücksichtigen.
Variable Arbeitsentgeltbestandteile sind gemäß Spitzenverband generell nicht zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl unabhängig davon, ob sie individuell-leistungsbezogen (bspw. Leistungsprämie) oder unternehmenserfolgsbezogen (unternehmensabhängiges Weihnachtsgeld), als auch ob sie laufend oder einmalig gezahlt werden. Begründet wird dies damit, dass „in aller Regel zum Zeitpunkt der Ermittlung des regelmäßigen Jahresarbeitsentgelts ungewiss ist, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe“ sie gewährt werden. Besteht jedoch ein Anspruch auf einen Mindestbetrag bzw. ein garantierter Anteil, so ist dieser hingegen für das regelmäßige Arbeitsentgelt zu berücksichtigen.
Außer Betracht gelassen | Mit einbezogen |
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Prüfung auf Über-/Unterschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze
Ob die Jahresarbeitsentgeltgrenze über- oder unterschritten wird, muss immer
- zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses,
- zum Jahreswechsel und
- bei jeder Änderung des Arbeitsentgelts
geprüft werden.
Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze: Ende der Versicherungspflicht
Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze bereits bei Beginn einer Beschäftigung durch das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt überschritten, so tritt unmittelbar Versicherungsfreiheit ein (§ 6 Abs. 4 SGB V).
Jahresarbeitsentgeltgrenze wird überschritten… | Ende Versicherungspflicht |
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bereits bei Beginn der Beschäftigung | unmittelbar |
bei Entgelterhöhung | mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Grenze überschritten wird
Vorausgesetzt, die Jahresarbeitsentgeltgrenze wird im folgenden Jahr ebenfalls überschritten |
bei rückwirkender Entgelterhöhung | mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf das erhöhte Arbeitsentgelt entstand |
Unterschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze: Eintritt der Versicherungspflicht
Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze während des Kalenderjahres unterschritten, so tritt unmittelbar Krankenversicherungspflicht ein (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Unmittelbar bedeutet hier, mit dem Tag, der dem Tag vorhergeht, von dem an die Jahresarbeitsentgeltgrenze unterschritten wurde.
Ausnahme: Unterbrechung der Beschäftigung
Wird die Jahresarbeitsentgeltgrenze aufgrund von Beschäftigungsunterbrechung nur vorübergehend unterschritten werden, besteht dennoch weiterhin Krankenversicherungsfreiheit.
Beispiele hierfür wären u.a.
Ebenfalls besteht weiterhin Krankenversicherungsfreiheit, wenn der Mitarbeiter höchstens einen Monat ohne Arbeitsentgelt, jedoch krankenversichert war.
Fallbeispiele zur Jahresarbeitsentgentgrenze
Die folgenden Fallbeispiele sollen die Auswirkungen des Empfehlungsschreibens auf die fachliche Prüfung der Jahresarbeitsentgeltgrenze veranschaulichen. Im zweiten Teil dieser Blog-Reihe werden die Beispiele dann im SAP HCM nochmals aufgegriffen.
Unterjährige Überschreitung der JAE-Grenze
Mitarbeiter 1 erhält zum 01. Januar 2017 ein Gehalt von 4.700€, Mitarbeiter 2 erhält 100€ mehr, also 4.800€. Beide liegen somit nach der Januar-Hochrechnung auf 12 Monate unter bzw. genau auf der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 2017.
Im November 2018 erhalten nun beide Mitarbeiter eine Gehaltserhöhung auf jeweils 5.000€. Somit liegen beide nach im November erneut durchzuführender Hochrechnung bei 60.000€ im Jahr und damit über der Jahresarbeitsentgeltgrenze von 2017 und 2018. In den letzten beiden Monaten im Jahr 2017 sind die Mitarbeiter noch versicherungspflichtig. Ihre Versicherungsfreiheit tritt jeweils erst im Januar des folgenden Jahres – also 2018 – ein.
Unterjährige Unterschreitung der JAE-Grenze
Der Mitarbeiter tritt zum 01. Januar 2017 mit einem Gehalt von 5.000 € ins Unternehmen ein. Nach Hochrechnung der Bezüge zum Eintritt liegt der Mitarbeiter über der Jahresarbeitsentgeltgrenze und ist somit versicherungsfrei. Ab dem 15.Mai 2018 erhält der Mitarbeiter eine Gehaltskürzung von 1.000 € aufgrund von Teilzeitarbeit. Bei der notwendigen Hochrechnung – aufgrund der Änderung der Bezüge – liegt er damit unter der JAE-Grenze und wird unmittelbar versicherungspflichtig.
Unterschreitung mit unterjähriger Überschreitung
Der Mitarbeiter erhält – bei einem Beschäftigungsgrad von 50% – ein Gehalt von 4.600 €. Somit liegt er im Jahr 2017 in der Januar-Hochrechnung mit 55.200 € noch unter der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Im April stockt er die Arbeitszeit für einen Monat auf 100% auf, erhält somit 9.200 €. Bei entsprechender Hochrechnung aufgrund der Änderung der Bezüge liegt er mit 110.400€ über der JAE-Grenze. Da die Versicherungsfreiheit jedoch erst mit Beginn des neuen Jahres in Kraft treten würde und der Mitarbeiter in der Hochrechnung im Mai 2017 wieder unter der JAE-Grenze liegt, bleibt der Mitarbeiter vollständig versicherungspflichtig.
Überschreitung mit unterjähriger Unterschreitung
Der Mitarbeiter tritt zum 01.Januar 2017 mit einem Gehalt von 5.000 € ins Unternehmen ein. In Hochrechnung zum Eintritt liegt der Mitarbeiter über der Jahresarbeitsentgeltgrenze und ist somit unmittelbar versicherungsfrei. Im April arbeitet der Mitarbeiter für einen Monat Teilzeit, seine Bezüge vermindern sich um 1.000 € auf 4.000€. Durch die Hochrechnung aufgrund der Änderung der Bezüge liegt er mit 48.000€ unter der JAE-Grenze, so dass unmittelbar Versicherungspflicht eintritt. Ab Mai liegt der Mitarbeiter mit seinem Gehalt von 5.000 € bei erneuter Hochrechnung durch Änderung der Bezüge wieder über der JAE-Grenze von 2017 und 2018. Versicherungsfreiheit tritt allerdings erst ab Januar des Folgejahres, also 2018 ein.
Bei Fragen oder Anregungen bzgl. der Jahresarbeitsentgeltgrenze können Sie uns gerne kontaktieren.